Guten Morgen,
in meiner letzten Ausgabe habe ich Carlo Masalas “Wenn Russland gewinnt” empfohlen. Wer einen Blick in die Kristallkugel wagen will: Das ist genau das Szenario, das kommt, wenn Trumps “Friedensplan” umgesetzt wird. Denn Masala beginnt in seinem Buch mit einem umgesetzten “Friedensplan”, der im Westen so genannt wird, der aber faktisch eine Kapitulation der Ukraine bedeutet. Wir sollten nicht den Fehler machen, eine Kapitulation nicht Kapitulation zu nennen, denn genau darum geht es. Das wird nicht funktionieren.
Wer eine perfekt animierte What-if-Future-History haben möchte, was nach dem Scheitern dieses Friedensplans passiert, kann direkt auf den untersten Link scrollen.
Wilde Zeiten. Stay happy.
Gerald
Ukraine
Trumps "Friedensplan" für die Ukraine ist eine Kapitulation
Axios, 22. April 2025
Der geleakte Ukraine-Plan aus Trumps Orbit liest sich wie die Wunschliste des Kremls – minus der Kaviarflatrate. Nicht nur will man die Krim „de jure“ als russisch anerkennen, auch die de-facto-Kontrolle über weitere besetzte Gebiete soll Russland behalten dürfen. Die Ukraine müsste auf NATO-Mitgliedschaft verzichten, während Washington die Sanktionen aufhebt und Energie-Deals einfädelt.
Das alles wird mit einem Mantel aus vermeintlichem Realismus drapiert. Tatsächlich ist es die Legitimation eines Gewaltakts – verhandelt von Leuten, die Frieden sagen, aber Kapitulation meinen. Für Europa heißt das: Der Westen könnte bald einseitig entwestlicht werden. Wer mit Putin Frieden macht, bekommt nicht Frieden, sondern den nächsten Krieg.
“Vladimir Stop!”
The Guardian, 24. April 2025
Nach einem massiven russischen Raketenangriff auf Kiew, bei dem zwölf Menschen getötet wurden, postete Donald Trump ein kurzes, dramatisches „Vladimir, STOP!“ auf seiner eigenen Plattform. Wenig hat bisher die Macht- und Ideenlosigkeit Trumps gegenüber Putin so illustriert, wie dieser halbherzige Aufruf. Trump weiß, dass er innenpolitisch mehr Boden verliert, je enger ihn Russland umarmt. Außenpolitisch bleibt sein Reflex aber derselbe: Symbolische Appelle an Putin, während auf der Ukraine gemeinsam herumgeprügelt wird.
Russischer General bei Autobombenanschlag nahe Moskau getötet
The Guardian, 25. April 2025
Timing ist bekanntlich alles: Während Trumps Sondergesandter Steve Witkoff im Kreml an "Friedensgesprächen" bastelt, wird draußen ein russischer General in die Luft gesprengt. Die Nachricht könnte in Moskau nicht nur das Klima der Verunsicherung verschärfen, sondern auch Trumps ohnehin wackeliges Ukraine-Manöver beschädigen. Klar ist: Kiews verdeckte Kriegsführung im russischen Hinterland läuft weiter – und zeigt, dass es keinen „Freeze“ des Konflikts geben wird, nur weil Washington ihn dringend braucht.
Taurus Redux: The Return of the Zombie Debate
Missile Matters (Fabian Hoffmann), 18. April 2025
Wie oft kann man ein totes Pferd satteln? Offenbar endlos, wenn es Taurus heißt. Seit 2023 geistert die Debatte um die Lieferung des deutschen Marschflugkörpers an die Ukraine durch die Berliner Republik – wieder und wieder mit denselben, längst widerlegten Argumenten: „zu eskalierend“, „nicht nutzbar ohne Bundeswehr“, „zu wertvoll für uns selbst“. Fabian Hoffmann, einer der besten deutschen Rüstungsexperten, gibt einen super Überblick über den Stand der Debatte und erklärt, wo er Kritiker:innen und Expert:innen der Lieferungen versteht.
Sicherheitspolitik
„Deutschland muss sich auf Krieg mit Russland 2027 vorbereiten“
Welt, 18. April 2025
Ed Arnold vom britischen Thinktank RUSI ist nicht der Erste, der offen vor einem Krieg zwischen NATO und Russland warnt. Aber er ist einer der Klareren. Zwei Jahre, sagt er, könnten noch bleiben – vielleicht. Und dann? Dann reicht keine Symbolpolitik mehr. Kein Sondervermögen, das sich in zehn Jahren in PowerPoint-Grafiken auflöst. Deutschland müsse „jetzt massiv produzieren“: Leopard 2 A8, Boxer, Taurus. Munition.
Das mag martialisch klingen. Ist es auch. Aber es ist der Sound der sicherheitspolitischen Realität im Frühjahr 2025. Sönke Neitzel spricht vom „letzten Friedenssommer“, Gustav Gressel geht vom Ernstfall 2029 aus. Und die Bundeswehr? Sie diskutiert über Bürokratieabbau. Irgendwann wird man sich fragen, ob es nicht zu viele Mahner – und zu wenige Entscheider gab.
The Next World War | Episode 17 – Short, Swift and Brutal
YouTube (Flat Circle History), April 2025
Eine animierte YouTube-Serie, die nüchterner, analytischer und beunruhigender ist als viele offizielle Planspiele: Flat Circle History simuliert in bisher zwei Staffeln den Ausbruch eines Dritten Weltkriegs – nicht als Science-Fiction, sondern als strategisch kohärentes „Was wäre wenn“. Staffel 1 beginnt mit einem russischen Angriff auf das Baltikum. Staffel 2 setzt parallel mit einem chinesischen Überfall auf Taiwan ein. Die neue Folge 17 trägt den Titel Short, Swift and Brutal – und macht klar, wie schnell das Aufeinandertreffen von Großmächten auf enge Distanz zum Krieg führen kann.
Die Serie ist wahnsinnig gut recherchiert und sehr detailliert und gerade deshalb so eindringlich. Wer sich für strategische Entscheidungslogiken interessiert und verstehen will, warum Pazifik, Suwałki-Lücke und Ukraine längst zusammenhängen, sollte sich diese Folge - und besonders den mittlerweile über eine Stunde dauernden Film der ersten Staffel - ansehen. Das ist das Szenario 2028-32 nach Trumps “Friedensplan”.
Das war meine kurze Sicherheitspolitik-Presseschau für heute. Wer diesen Newsletter weiterempfehlen mag: Sehr gerne.
Слава Україні!,