Ukraine Bookmarks 382
Neue Bellonas Ukraine Leseliste am 382. Tag des Ukraine Kriegs (1/März 2023)
#3Links3Tweets ist eine kuratierte und kommentierte Liste an Links zum Ukraine Krieg, die ich gerade lesenswert finde. Ein Art bewerteter Mini-Presse-Reader zum schlimmsten und wahrscheinlich folgenreichsten Krieg in Europa seit 1945 mit den subjektiv lesenswertesten Posts dazu.
Heute probiere ich mal etwas Neues und wechsele die Plattform. Medium, wo Neue Bellona bisher lag, ist eine schöne Plattform zum Schreiben. Aber sie ist nicht gut in Sachen Community. Als Schreiber bekommt man kaum Feedback und auch das Wachstum der Community ist begrenzt. Substack nutze ich auch für meinen Newsletter
und ich bin sehr angetan davon.Die Lage in der Ukraine
Letzte Woche gab es den größten Raketenangriff auf die Ukraine seit langem. Bemerkenswert war dabei nicht nur die Menge an Raketen sondern vor allem der Mix. Denn Russland nutzte zuletzt meist einen Mix aus Marschflugkörpern und Drohnen, die leicht abzufangen sind. In diesem Angriff wurden wieder vermehrt ballistische Raketen und sog. Kinzhal Hyperschallwaffen eingesetzt, die nicht abfangbar sind. Während sonst 10-15% der Geschosse ihr Ziel treffen, waren es diesmal 47 von 81. Russland will wohl etwas jetzt erreichen. Speziell, weil es sichtbar nicht mehr über viele der teureren Flugkörper verfügt.
“Putins Wette auf den Winter schlägt fehl” titelte Newsweek. So viel hatte sich der Herrscher vom “General Frost”, dem traditionellen Verbündeten der Russen versprochen: Frierende Europäer ohne Gas, gefrorenes Terrain, auf dem russische Panzer vorstoßen können. Nichts davon wurde Realität. Und das könnte die Wut erklären, mit dem Russland sich derzeit vor allem an wenig strategischen Orten festbeißt. Mit einzelnen Raketenattacken ohne Sinn. Und mit zwei scheinbar isolierten Kampagnen bei Bakhmut und Wuhledar.
Mitte März 2023 fokussiert sich aktuell die scheinbar gesamte Wahrnehmung des Krieges auf die Lage in Bakhmut. Die kleine Salzminen-Stadt, die mal 70.000 Einwohnerinnen hatte ist nun seit Sommer letzten Jahres umkämpft und - wie die New York Times zeigte - komplett zerstört. Zum 13. März zeigt sich eine nach wie vor schwierige Lage für beide Seiten: Russland hat den Osten Bakhmuts erobert und versucht in einer Flankenoperation im Norden und Süden die Stadt einzukesseln.
Völlig fraglich ist gerade aktuell, ob das klappt und was die Motive beider Seiten sind, so sehr um Bakhmut zu kämpfen. Strategisch rechtfertigt für viele die Stadt kaum die enormen Verluste auf beiden Seiten. Auch in der ukrainischen Führung rumort es und es gab diverse Diskussionen, ob ein Abzug aus Bakhmut nicht vorzuziehen sei. Erst gestern argumentierte dann der ukrainische Außenminister Kuleba (Link):
“If we withdrew from Bakhmut, what would that change? Russia would take Bakhmut and then continue its offensive against Chasiv Yar, so every town behind Bakhmut could suffer the same fate.”
Generell scheint Bakhmut derzeit als der beste und allen schlechten Orten gesehen zu werden, die langsame russische Offensive zu stoppen. Unterstützt von US-Aufklärung, kontinuierlichen Planungesspielen und einer kolportierten Todesquote (Russisch vs ukrainisch) von 7:1 ist die viel zitierte “Abnutzung” auf beiden Seiten hoch. Auf ukrainischer Seite scheint man das noch verargumentieren zu können.
Neben Bakhmut gibt es noch ein zweites, eher schwer erklärbares Schlachtfeld im Süden: Vuhledar. Vuhledar liegt im Süden der Donezk Region und wird von Russland scheinbar als so wichtig betrachtet, dass man auch hier sinnfrei Menschen ins Feuer laufen lässt. Die Karte unten zeigt Bakhmut oben rechts und Vuhledar ganz im Süden - da bekommt man einen Eindruck wie weit beides auseinander liegt. Zu weit für zwei Arme einer Offensive, die kaum voran kommt.
Da wenig koordiniert und nachhaltig geplant ist, hat Russland in Vuhledar im Februar direkt mal eine ganze Brigade verloren, wie Politico berichtete. Hier gab es heftige Videos im Februar, die ganze russische Panzerverbände auf offenem Feld in Luft aufgehen lassen. Hierbei handelte es sich um die 155. Marine Brigade der russischen Pazifik Flotte, die angeblich 36 Panzer verloren hat. “Wie in der Schießbude” wird der russische Kriegsverbrecher Igor Girkin zitiert. Dies hindert Russland natürlich nicht daran, mit verbotenen Waffen eine Stadt anzugreifen. Natürlich ohne, dass sich in Deutschland ein Fridensdemonstrant darüber aufregt.
Und wo wir gerade bei “verboten” sind. “Verboten” ist es nicht nur, Städte mit Thermit anzugreifen. Verboten ist es auch, Kriegsgefangene zu erschießen. Vor sechs Tagen wurde der gefangene ukrainische Soldat Tymofiy Mykolayovych Shadura zur Ikone, dessen letzte Worte in russischer Gefangenschaft “Slava Ukraini” war, bevor er von einer russischen MG-Salve hingerichtet wurde.
Der Clip selbst ist viel zu grafisch. Shaduras letzter Moment, seine heldenhafte Resilizenz, ist mittlerweile Teil der ukrainischen Ikonografie. Möge er in Frieden ruhen können neben all den anderen, die viel zu früh gestorben sind.
Drei lesenswerte Links
1. Washington Post: Ein Flug entlang der Frontlinie
Toll gemachtes Online Special der Washington Post. Ein interaktiver Flug entlang der 600 Meilen langen ukrainisch-russischen Frontlinie.
2. Forbes: Russland verliert sein Schlachtross T-72
Der T-72 ist DAS Schlachtross der russischen Armee, wenn es um Panzer geht. Seit der frühesten Version wird der T-72 seit Jahrzehnten gebaut. Es gibt modernere Panzer als den T-72. Aber keiner kommt mit allen Modernisierungen in den Stückzahlen zum Einsatz wie er. Nun hat Forbes nochmal genau nachgezählt und ist zum Schluss gekommen, dass es mit dem Nachschub wohl nicht so gut aussieht. Und das könnte fatal sein.
3. IISS: Planspiel Taiwan-Krieg
Sollte es noch Menschen geben, die mit Blick auf die Ukraine zu gut schlafen, denen empfehle ich dieses Planspiel des “International Institute for Strategic Studies” (IISS). Der Thinktank hat ein Planspiel durchgeführt, das einen möglichen Krieg der Volksrepublik China gegen Taiwan unter Einbeziehung der USA in drei möglichen Ausprägungen durchläuft. Das Resultat ist nicht gerade beruhigend.
Drei Tweets
1. Eine klare Drohung
Seit einigen Wochen brodelt es in Georgien. 85% aller Georgier:innen wollen in die EU. Die moskaufreundliche Regierung hatte vorletzte Woche das sog. “Agentengesetz” erlassen, das dies verhindern sollte. Viele waren überzeugt, dass dieses Gesetz direkt aus Moskau diktiert wurde. Als die Georgier:innen gegen ihre Regierung auf die Straße gingen, fühlte sich eine Dependance des russischen Außenministeriums auf der Krim bemüßigt die Georgier:innen direkt zu bedrohen.
2.Ulrike Franke: Kriegswirtschaft
Interessante Darstellung, was Kriegswirtschaft bedeutet anhand der Ausgaben der Ukraine heute und vor einem Jahr.
3) NOBLE 61 - NATO zeigt Zähne
Vorgestern flog ein strategischer Atombomber vom Typ B-52 eine Mission über Osteuropa. Dieser Typ Mission ist mittlerweile recht normal, weil er die Zusammenarbeit mit verschiedenen Luftwaffen einstudieren soll. Nur eine Sache war nicht normal. NOBLE61, wie das Flugzeug hieß, hielt über der Ostsee direkt auf St. Petersburg zu und drehte nur knapp 200km vor Putins Geburtsstadt nach Süden ab. Dass dies mit vollem Tracking auf allen Flighttrackern erfolgte, sollte klare Wirkung haben. Hier wurde ein atomarer Angriff sichtbar geübt. “NOBLE61” kann atomare Marschflugkörper aus ca. 1.000km starten.