Ukraine Bookmarks 842
Neue Bellonas Ukraine Leseliste am 842. Tag des Ukraine Kriegs (16. Juni 2024)
⚔️🇺🇦 #UkraineBookmarks ist eine kuratierte und kommentierte Liste von Links zum Ukraine Krieg, die ich aktuell lesenswert finde und teilen möchte. Ukraine Bookmarks ist eine Art bewerteter Mini-Presse-Reader zum schlimmsten und wahrscheinlich folgenreichsten Krieg in Europa seit 1945 mit den subjektiv lesenswertesten Posts dazu.
Guten Morgen!
auch heute wieder meine schnelle Ukrainekrieg Presseschau der letzten Tage und Wochen. Wie immer gilt: Alles ist im Fluss und kann morgen wieder anders sein. Aber die unten stehenden Links haben mich in den letzten Tagen neben den “großen Nachrichten” schlauer gemacht.
Слава Україні 🇺🇦
Gerald
P.S. Diesen Newsletter teilen ist explizit erlaubt
Ukraine
1. Als die Ukraine und Russland 2022 verhandelten
New York Times, 15. Juni 2024
Zu den Evergreens russischer Desinformation gehören Lügen rund um einen halbherzigen “Friedens-Verhandlungsversuch” zwischen Russland und der Ukraine, der im April 2022 in Istanbul stattand und auf Arbeitslevel hängen blieb. Übrigens ein Stück Desinformation, das sich gerne weitererzählen lässt, vor allem in der Fassung: “Der Westen hat Druck gemacht, dass kein Deal zustande kommt.” Nichts davon stimmt.
Neben der Tatsache, dass Russland schon durch sein niedrigrangiges Verhandlungsteam die Unehrlichkeit seines Ansatzes zeigte und zeitgleich die Massaker von Butscha und Irpin verübte (die dann zum Abbruch führten), waren die russischen Forderungen für die Ukraine komplett unannehmbar. Und das obwohl die Ukraine den Wunsch nach NATO-Beitritt gegenüber Putin zur Disposition stellte. Die New York Times beschreibt die konkreten Forderungen beider Seiten, bevor die angeblichen Friedensverhandlungen ergebnislos abgebrochen wurden:
Russland wollte die Krim behalten, über andere Gebiete sollte bei einem persönlichen Treffen zwischen Selenskyy und Putin entschieden werden.
Russland forderte die Aufhebung ukrainischer Sanktionen seit 2014 und wollte, dass westliche Partner dasselbe tun. Natürlich als Vorbedingung.
Russland wollte die Anzahl der ukrainischen Truppen und militärischen Ausrüstung begrenzen. Russland forderte maximal 100.000 Truppen, während Kiew mindestens eine 250.000 Personen starke Armee wollte.
Das größte Problem waren die Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Die Garantiestaaten – Großbritannien, USA, Frankreich, China und Russland – sollten der Ukraine zu Hilfe kommen, aber Russland wollte, dass die Voraussetzung für jede Hilfe für die Ukraine eine Genehmigung aller Garantiestaaten bedeutet hätte. Das hätte bedeutet, dass Russland die Unterstützung hätte blockieren können. Selbstmord bei diesem Nachbarn.
Die angeblichen “Friedensverhandlungen” vom April 2022 waren einfach ein weiterer russischer Versuch, eine bedingungslose Kapitulation der Ukraine herbeizumanipulieren. Die Details der “Vertragsentwürfe” gibt es hier. Nicht das Papier wert, auf das es gedruckt war.
2. Timothy Snyder “Wir sind im Jahr 1938”
Guardian, 7. Juni 2024
Einer der wohl kenntnisreichsten Osteuropa-Historiker ist Professor Timothy Snyder. In diesem Artikel schafft er eine Parallele zwischen der heutigen Situation des Westens mit Blick auf die Ukraine und auf die nicht genutzten Chancen des Westens in der Sudetenkrise 1938. Hitler beraubte 1938 die Tschechoslowakei seiner Souveränität und konnte erst mit der tschechischen Rüstungsindustrie - ein Jahr später - den Zweiten Weltkrieg beginnen. Snyders These: Hätte der Westen früher auf Seiten der Tschechoslowakei eingegriffen und das Land nicht fallen gelassen, wäre es nie zum Zweiten Weltkrieg gekommen. Diese Chance haben auch wir heute noch.
3. Russland verletzt zum wiederholten Male schwedischen Luftraum
Aviationist, 15. Juni 2024
Dass NATO-Jets und russische Jets im Ostsee Luftraum regelmäßig halbwegs friedlich und halbwegs professionell aufeinandertreffen ist ja normal. Dass russische Jets NATO-Luftraum gezielt verletzen, ist es nicht. Letzter Akt: Ein russischer SU-24 Jagdbomber verletzte am 14. Juni den Luftraum östlich der schwedischen Gotland. Er war vorher von den Schweden gewarnt worden. Die Provokation dauerte nur kurz, soll aber klare Zeichen setzen, während des parallel stattfindenden NATO Manövers Baltops 2024. Viel Lust auf Provokation für so viel Nähe von so viel militärischer Hardware.
4. Patriot Games
The Warzone, 14. Juni 2024
Die Ukraine hat in fast allen Bereichen dieses Krieges - vor allem mit Blick auf westliche Waffenlieferungen - enorme Kreativität an den Tag gelegt. So auch bei den wenigen, wertvollen, weitreichenden Patriot Raketen, die typischerweise stationär zur Luftabwehr eingesetzt werden. Um zwei seltene russische AWACS-Flugzeuge abzuschießen, wurde eine Patriot Batterie in direkte Frontnähe gefahren und kam so in Reichweite, um die wertvollen russischen Kommandoflugzeuge abzuschießen. Die Strategie wirkt: Russland hat mittlerweile wohl nur noch sieben seiner seltenen AWACS Radarflugzeuge und wird große Schwierigkeiten haben, sie in nennenswerter Stückzahl nachzubauen. Das würde auch massive Folgen für Russlands militärische Fähigkeiten in einem möglichen Aufeinandertreffen mit der NATO haben, die bekanntlich gerade in diesem Bereich sehr gut aufgestellt ist.
5. Krim verliert reihenweise russische S-400 Luftabwehr
Forbes, 12. Juni 2024
Wo wir gerade bei Luftabwehr sind: Richtig schlecht steht es um das bisherige Kronjuwel der russischen Luftabwehr. Das S-400 genannte System, das typischerweise aus mehreren weitreichenden Raketenwerfern und passenden Kommandofahrzeugen und Radargeräten besteht, wurde bis zum Ukrainekrieg immer als State-of-the-Art System zur Luftabwehr gehandelt. Auch diese Teilstreitkraft wurde drastisch überschätzt. Die wenigen S-400 Einheiten, die es noch gibt, fallen gerade serienweise den amerikanischen ATACMS Raketen auf der Krim zum Opfer - weitreichende Raketen, die seit dem letzten großen Rüstungspaket geliefert wurden. Scheinbar hat Russland gegen ATACMS kein echtes Rezept. Das Problem scheint so groß zu sein, dass man nun schon die Krim-Brücke mit dem neuen, sehr weitreichenden (und wahninnig teuren) S-500 System schützen will, das eigentlich erst 2025 einsatzbereit sein sollte. Ich denke, wir finden bald heraus, ob es S-500 mit ATACMS aufnehmen kann.
Geopolitik
China verliert den Chip Krieg
The Atlantic, 6. Juni 2024
Hoch entwickelte Halbleiter-Chips sind einer der wichtigsten Rohstoffe des Westens im Konflikt mit und gegen China. Der taiwanische Halbleiter Hersteller TSMC dominiert fast 2/3 des Weltmarkts besonders fortschrittlicher Halbleiter, 15% des taiwanischen Staatshaushalts gehen auf TSMCs Konto. Und die Biden Regierung hat vor einigen Monaten ein sehr heftiges Sanktionspaket gegen China in Gang gesetzt, das China international den Zugriff auf fortschrittliche Chips verwehrt. Das Resultat: China kann damit Schlüsseltechnologien - wie zum Beispiel - AI nicht mehr auf dem selben Niveau weiterentwickeln. Das hat nun immense Folgen für Chinas Rüstungstechnologie.
Riesiges Seltene Erden Depot in Norwegen entdeckt
CNBC, 11. Juni 2024
Und wo wir gerade beim Thema sind: China hat gerade noch einen geostrategischen Punkt nicht machen können. Denn in Norwegen wurden nun - nach Schweden im letzten Jahr - gerade ein riesiges Seltene Erden vorkommen entdeckt. Seltene Erden befinden sich in Akkus, Windturbinen und Handys im Einsatz. Das absolute Gros der Seltenen Erden Vorkommen befinden sich in China, was den Westen von China in diesem Bereich klar abhängig macht. Die neuen Funde in Nordeuropa sind geostrategisch absolut relevant und dürften dazu beitragen, dass der Westen hier deutlich mehr Autonomie in diesem wichtigen Feld hat.
“Hellscape” - Amerikas Plan für eine Invasion Chinas in Taiwan
Washington Post, 10. Juni 2024
Es gibt recht viele Gründe, warum für die USA wie für China eine mögliche Invasion Taiwans ein praktisch extrem riskantes Unterfangen wäre. Aus chinesischer Sicht wäre da eine Landung über eine Meerenge von über 100 Kilometer gegen einen schwer befestigten Gegner, der nur 11 (bekannte) Strände hat, an denen angelandet werden kann. Dagegen wirkt der D-Day wie ein Sonntagmorgen Spaziergang. Aus amerikanischer Sicht ist Taiwan für die US-Marine extrem schwer zu unterstützen, weil Chinas Raketen den Zugang zu diesem Teil des Pazifiks kontrollieren. Die Washington Post schreibt nun, dass es einen US-Plan gibt, der eine mögliche chinesische Invasion zumindest massiv verzögern soll. Bevor US-Truppen in der Region wären, sollten tausende Marine-Drohnen auf Knopfdruck die chinesische Landung massiv stören, bis der Nachschub aus den USA kommt.
Das war meine kurze Ukraine-Presseschau für heute. Bald folgt wieder das nächste Ukraine Update mit Neue Bellona. Wer diesen Newsletter weiterempfehlen mag: Sehr gerne.
Слава Україні!,