Ukraine Bookmarks 994
Neue Bellonas Ukraine Leseliste am 994. Tag des Ukraine Kriegs (15. November 2024)
⚔️🇺🇦 #UkraineBookmarks ist eine kuratierte und kommentierte Liste von Links zum Ukraine Krieg, die ich aktuell lesenswert finde und teilen möchte. Ukraine Bookmarks ist eine Art bewerteter Mini-Presse-Reader zum schlimmsten und wahrscheinlich folgenreichsten Krieg in Europa seit 1945 mit den subjektiv lesenswertesten Posts dazu.
Guten Morgen!
Die letzte Ausgabe von Neue Bellona war noch Prä-Trump, diese ist nach Post-Wahlschock. und ja: die gesamten Parameter dieses Krieges haben sich nun nach fast 1.000 Tagen Vollinvasion in der Ukraine verschoben. Und nicht zu Gunsten der Ukraine.
Natürlich war Trumps Aussage: “Ich mache Frieden an einem Tag” völliger Unsinn und Wahlkampffutter für unterkomplex denkende Menschen. Aber in der Trump-Welt ist auch das alles egal und deshalb bewegt sich gerade viel. Möglich ist alles: Weitere Unterstützung aus den USA, keine Unterstützung oder ein etwas weirder “Deal” von Selensky, der hier beschrieben wird.
Gleichzeitig muss man Trumps Picks für sein Kabinett anschauen. Die Horror-Show besteht aus einer Reihe aus Günstlingen, denen er was schuldet. Darunter die vorgeschlagene Geheimdienstchefin Tulsi Gabbard (18 Geheimdienste, 70 Mrd. Budget), die eine Mischung aus Sahra Wagenknecht und Alex Jones ist. Aber auch der gewichtige neue republikanische Mehrheitsführer John Thune, der klar Pro-Ukraine ist. Kurz: Nichts genaues weiß man nicht.
Interessanter wird die Situation bei uns. In Europa hat man zwar 2016, bei Trump 1, schon herausgefunden, dass Trump ein Weckruf für Europa ist. Nur leider ist daraus kaum etwas gefolgt. Die sog. Zeitenwende kam erst 2022 mit Blick auf die Ukraine. Sie ist richtig, aber insgesamt “too little, too late”. Viele Systeme für die Bundeswehr werden erst in Jahren geliefert, so der mögliche neue Marschflugkörper Taurus Neo, der vielleicht bis 2029 geliefert wird. Bis dahin dürfte es ein ziemliches Gap bei uns geben. Und vielleicht sollte jemand der Bevölkerung mal vermitteln, dass wir eher sehr viel mehr und nicht weniger Sicherheitsausgaben machen werden.
Sicher ist: Die nächsten Jahre werden anstrengend.
Ich hoffe, euer Wochenende wird besser.
Gerald
Die Ukraine-Links der letzten Tage
Subjektiv spannende Inhalte aus dem Ukraine Krieg der letzten Tage
Frontlinien
IFW: Ukraine-Hilfe ist für Deutschland die sinnvollste Alternative
Kiel Institut für Weltwirtschaft, 2024
🇩🇪 🇺🇦 🇺🇸 Mit dem Trump-Sieg und dem vielleicht kommenden Ende des US-Engagements für die Ukraine („Kabul Option“) dürften Europas Friedenstauben bald eine richtige Überraschung erleben. Denn scheinbar braucht es selbst für einen unfairen Pseudo-Frieden etwas mehr als ein paar Verhandlungen, und dann ist wieder alles gut. Geopolitik ist doch etwas komplexer als das, was auf TikTok erzählt wird.
Denn letzte Woche sind die ersten Details von Trumps „Friedens“Plan rausgesickert. Wie viel davon wirklich umgesetzt wird, weiß man nicht. Aber der Plan kommt einer assistierten Kapitulation der sich verteidigenden Ukraine gleich. Neben der Tatsache, dass Trump darin Russland für seinen Angriffskrieg umfassend belohnt (Abtretung von Gebieten, 20 Jahre Verzicht auf ukrainische NATO Mitgliedschaft), dürfte die Frage möglicher Sicherheitsgarantien unsere Politik in den nächsten Monaten, wenn nicht Jahren, besonders bestimmen.
Denn sogar um den unfairen Verhandlungs“frieden“ herzustellen, den halb Deutschland scheinbar will, braucht es einen Puffer zwischen der Ukraine und Russland. Auf 1.200km Grenzlänge - einem Land der zweieinhalbfachen Größe Deutschlands - müsste dieser Puffer überwacht werden. Und wer soll die Grenzwacht künftig übernehmen? Exakt: Wir. Europäische Truppen.
Konkret bedeutet das, dass deutsche und europäische Truppen für einen robusten Frieden zwischen Russland und dem atomar bewaffneten, revanchistischen Russland auf einer riesigen Fläche sorgen müssten. Und sie müssten selbst in der Lage und Willens sein, Putins nächsten, sicher kommenden Vetragsbruch zu ahnden. Militärisch ein Ding der Unmöglichkeit, selbst wenn sich Freiwillige fänden und alle Parteien einverstanden wären.
Zusätzlich entsteht damit genau Situation, die das Kiel Institut für Weltwirtschaft vor wenigen Tagen in seiner Studie skizziert hat: ein Trumpscher „Deal“ mit dem Kriegsverbrecher Putin ist moralisch eine Katastrophe. Volkswirtschaftlich ist es das ebenso. Deutschland wird es etwa 10-20x so viel kosten wie die konsequente Unterstützung der Ukraine bisher. Ein Volumen, das wir alle im Alltag spüren werden und das unser Land in eine völlig neue Unsicherheit katapultieren wird.
Das Thema Ukraine hat das Potenzial ganz Europa sehr lange zu beschäftigen. 2025 wählen wir einen neuen Bundestag. Die Frage, wie der Ukrainekrieg zu managen ist, ist komplexer als die Frage ob wir Krieg oder Frieden wollen. Ich vermute, jeder Mensch will Frieden. Die Frage ist, welcher Friede zu welchem Preis. Deshalb sollte jeder von uns sich die Zeit nehmen, zu verstehen, was die Konsequenzen für uns sind und welche Partei wo steht in dieser Frage - auch perspektivisch. Denn in Trumps „Friedensdeal“ steckt jetzt schon der Keim des nächsten großen Krieges.
Die IfW Studie ist äußerst lesenswert und gibt es hier https://www.ifw-kiel.de/de/publikationen/aktuelles/militaerhilfe-fuer-die-ukraine-stopp-kostet-deutschland-viel-mehr-als-fortfuehrung/
Nach Trump: Der Westen steuert auf einen „Deal“ im Ukrainekrieg zu
War on the Rocks, 8. November 2024
Hier noch ein weiterer Blick auf das mögliche Ende der „As long as it takes“-Politik des Westens. Das Anstreben eines irgendwie gearteten „Deals“ im Ukrainekrieg wird immer wahrscheinlicher. Sicher ist: Ein solcher Deal, bei dem Land gegen Frieden getauscht wird, hätte massive Konsequenzen. Der Aggressor Russland würde belohnt und dazu ermutigt, in Zukunft erneut irgendwo (wahrscheinlich in der Ukraine) anzugreifen. Die Ukraine stünde vor dem Verlust von Territorium – und Europa vor der Frage, wie dieser Deal gestaltet werden müsste, damit er nicht wie eine Kapitulation wirkt und man ihn selbst “enforcen” kann. Speziell letzteres ist kaum realisierbar für Europa.
Die größte Herausforderung liegt jedoch woanders: Wie verhindert Europa, dass Russland nach einem „Sieg“ weitergeht und das nächste Feuer in Polen oder Litauen legt? Russland hat schließlich gerade in der Ukraine bisher immer bewiesen, dass es jeden “Deal” hintergeht. Und alle Fachleute rechnen mit entsprechenden Übergriffen, sobald dies möglich ist. Das wird ein Risiko, das sich noch verschärft, sollte die USA als verlässlicher Schutzfaktor zurücktreten. Europa steht vor der historischen Verantwortung, Sicherheit für die Ukraine und sich selbst zu definieren – und vor dem möglicherweise schwierigsten Balanceakt seit Jahrzehnten.
Das hätte man schon 2016 umsetzen sollen. Aber warum nicht mal 8 Jahre warten, damit es spannender wird?
What will Trump's victory mean for Ukraine?
Anders Puck Nielsen, 8. November 2024
Auch hier: Ein weiterer und, wie immer, sehr anschaulicher Take auf das gleiche Thema von dem brillianten Geopolitik-Analysten Anders Puck Nielsen…
Der Horror des Drohnenkrieges
tiktok, 1.11.2024
Das Video von zwei ukrainischen Soldaten, die sich in einem Unterstand vor kreisenden russischen Drohnen verstecken, ist ziemlicher Horror. Wir sehen kein Blut, aber man kann die Angst in der Situation fühlen. Der Sound geht durch Mark und Bein. Noch ist die Mehrheit der automatisierten Killer nicht mit Wärmespürgeräten ausgerüstet, die Menschen auch in Verstecken finden. Das dürfte aber nicht mehr lange auf sich warten lassen. Absolut schrecklich.
EU erreicht 2024 Munitionsziel für die Ukraine
Reuters, 11. November 2024
Die EU hat ihr Ziel von 980.000 Artilleriegranaten für die Ukraine erreicht – und Tschechien legt mit weiteren 500.000 Granaten aus einer eigenen Initiative noch eins drauf. Diese gestärkten Lieferketten zeigen, dass die EU langsam dazulernt und ihre Kapazitäten für die Ukraine verbessert. Angesichts einer möglichen Rückkehr Trumps und der damit drohenden Instabilität im westlichen Bündnis wird das schneller als gedacht nötig sein.
NATO-Admiral: Ohne russische Atomwaffen wären NATO-Truppen längst in der Ukraine
Newsweek, 12. November 2024
Admiral Rob Bauer, der scheidende Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, machte auf dem IISS-Prager Verteidigungsgipfel klar: Wäre Russland nicht atomar bewaffnet, würden NATO-Truppen bereits aktiv in der Ukraine gegen russische Streitkräfte kämpfen. „Ich bin absolut sicher, dass wir in der Ukraine wären und die Russen rauswerfen würden,“ sagte Bauer. Das ist doch mal eine Aussage.
Geopolitik
Jenseits des Ukraine-Tellerrands.
Unter Trump: Neocons wandeln sich zu „America First“ Außenpolitikern
New York Times, 12. November 2024
Ehemalige Neocons mit klassischer Cheney-Denke formieren sich in Trumps Umfeld neu und passen ihre außenpolitische Agenda an das „America First“-Narrativ an. Diese Politiker, die einst uneingeschränkt für militärische Interventionen und globale Dominanz eintraten, biegen ihre Prinzipien jetzt flexibel in Richtung Isolationismus und nationalen Fokus um. Oder halt in Richtung dessen, was Donald Trump als richtig ansieht.
Werbevideo für den Jackal Marschflugkörper
Northrop Grumman, 15. Oktober 2024
Videos für neue Waffensysteme haben immer etwas ganz Gruseliges an sich. Aber sie zeigen auch, worüber gerade die Rüstungsindustrie nachdenkt und wo sie zukünftige Kriege verortet. Das Video unten für Jackal findet offensichtlich in einem tropischen Inselkontext wie der südchinesischen See statt. Jackal wird eine Art Low Cost Hybrid aus Marschflugkörper und Drohne, der mithilfe Künstlicher Intelligenz in Schwärmen Ziele selbst rauspickt und angreift.
Bilder vom Raketentest von Nordkoreas neuer Hwaseong-19 ICBM
Reddit, 31. Oktober 2024
Und noch mehr Raketen. Nordkorea hat mit einem Test seiner neuen Interkontinentalrakete Hwaseong-19 einen beunruhigenden Meilenstein erreicht. Die Rakete, ausgestattet mit mobilem Launcher und, wahrscheinlich Mehrfach-Atomsprengköpfen, hat eine Reichweite von 10.000 bis 15.000 Kilometern, und könnte damit die gesamten USA erreichen. Für die Ukraine bedeutet dies, dass sie es nun faktisch mit zwei nuklearen Mächten zu tun hat. Für die USA bedeutet das, dass jeder Krieg auf der koreanischen Halbinsel schnell sehr persönlich werden könnte.
Das war meine kurze Ukraine-Presseschau für heute. Bald folgt wieder das nächste Ukraine Update mit Neue Bellona. Wer diesen Newsletter weiterempfehlen mag: Sehr gerne.
Слава Україні!,