Hallo!
Zum Abend ein paar aktuelle Links zum (man muss es leider so sagen) neuesten, wahnsinnig gefährlichen Krieg 2025. Wie herausfordernd unsere Zeit ist und wie wichtig Proliferationsfragen geworden sind, merkt man alleine daran, dass wir in der ersten Hälfte 2025 schon drei Konflikte (Russland/Ukraine, Indien/Pakistan, Iran/Israel) hatten, in denen mindestens eine Partei atomar bewaffnet ist - im Falle Indien/Pakistan reden wir über das zweite große Aufeinandertreffen zweier atomar bewaffneter Mächte überhaupt (das erste war ebenfalls hier, 1999 - Kargil Krise).
Proliferationsfragen zu entschlüsseln war schon immer komplex (ich habe mal über Nordkoreas Atomprogramm ein Buch geschrieben). Umso beunruhigender, dass global nun nicht der Weg gewählt wird, der über eine Stärkung transnationaler Organisationen und “Deals” führt, wie bei der IAEO. Sondern, dass atomare Rüstungskontrolle mit Gewalt erbombt wird - ob das wirklich notwendig ist im Falle des Iran, werden wahrscheinlich die Historiker:innen entscheiden.
Dennoch ist nun ein Weg beschritten, der nur noch in eine Richtung führen kann. Und da hoffe ich tatsächlich auf eine dauerhafte Beendigung des iranischen Programms durch die israelischen Angriffe.
Viele Grüße
Gerald
Sieben Tage Operation Rising Lion
Sieben Tage Operation Rising Lion. Der präventive israelische Angriff gegen den Iran läuft. Ich hätte mir gewünscht, dass es nie so weit kommt. Dass es in den letzten Jahren und Jahrzehnten einen besseren diplomatischen Deal mit dem Iran gegeben hätte. Aber den hat es nicht gegeben.
Und man kann jetzt, so ehrlich muss man sein, nicht zurückblicken und sagen, der Iran hätte keine Chancen gehabt. Die internationale Gemeinschaft hat vieles versucht. Aber Teheran hat sich nie wirklich bewegt. Ein Teil der Wahrheit ist aber auch, dass Donald Trump ohne Not ein multilaterales Proliferationsabkommen mit dem Iran in der Luft zerrissen hat, weil es von Obama geschlossen wurde.
Israel hat sich jetzt entschieden, diesen Schritt zu gehen. Er ist gefährlich. Er ist wagemutig. Und ich glaube: Israel muss diesen Job zu Ende bringen. Denn wenn es das nicht tut, wird es in fünf Jahren zu einer Rückrunde im Nahen Osten kommen, die sehr viel wahrscheinlicher nuklear sind wird. Ein dann doch noch atomar bewaffneter Iran wird sich eine solche Situation kein zweites Mal gefallen lassen. Und Israel weiß das. Das ist das eigentliche Problem.
Es ist ein hohes Risiko. Und ja – es ist Gewalt. Aber ich bin mittlerweile der Meinung: Israel muss man in dieser Situation unterstützen. Nicht, weil der Weg gut ist. Sondern weil alle Alternativen schlechter sind.
Ich habe ein paar gute Artikel dazu gesammelt.
Israel hat Luftüberlegenheit im Iran
Wall Street Journal, 16. Juni 2025
Während Russland auch nach dreieinhalb Jahren Krieg nicht in der Lage ist, über der Ukraine Luftherrschaft zu gewinnen, operierte Israel bereits zwei Tage nach Kriegsbeginn tief über iranischem Gebiet – mit F-35, F-15, JDAMs und kaum Gegenwehr. Der Vergleich zeigt: Airpower ist nicht nur eine Frage der Technik, sondern der Kultur, Integration und Entscheidungsfähigkeit. Und Israel scheint nun über dem Iran schalten und walten können, wie es will. Erschreckend für den Iran und ein beeindruckendes Zeugnis der Überlegenheit der US-Technik.
Israels Luftkrieg gegen Iran – und Irans strategisches Versagen
Fabian Hoffmann, 15. Juni 2025
Ein Luftkrieg, der mehr trifft als nur Infrastruktur: Israel hat mit „Operation Rising Lion“ nicht nur das iranische Atomprogramm schwer beschädigt, sondern zugleich die jahrzehntelange Strategie Teherans demontiert, Einfluss über regionale Proxies auszuüben. Hoffmann analysiert präzise, wie das Regime in Teheran seine eigene Verwundbarkeit gebaut hat – durch den systematischen Aufbau externer Stellvertreter bei gleichzeitiger Vernachlässigung von Heimverteidigung und Luftabwehr.
Der Schlag gegen Natanz, Isfahan und Fordow ist nur die sichtbare Spitze. Viel gravierender: Die Operation erfolgte parallel zum fast vollständigen Kollaps der Hisbollah-Führung und zur weitgehenden Neutralisierung der Hamas. Das „Achsenmodell“ iranischer Einflussnahme – bewaffnete, halbautonome Milizen von Beirut bis Sanaa – funktioniert nicht mehr, wenn die Mutterstruktur selbst unter Dauerfeuer steht. Die lange gepflegte Asymmetrie wird plötzlich zur Sackgasse.
Israels Angriffe auf den Iran: MIT-Forscher warnt vor Atomkrieg
t-online, 15. Juni 2025
Die strategische Ironie könnte bitterer kaum sein: Israels Präventivschläge gegen iranische Atomanlagen – gedacht als Bollwerk gegen eine Bombe – könnten genau diese beschleunigen. Der MIT-Experte Jim Walsh warnt im Gespräch mit dem Spiegel, dass der Iran nun politisch motiviert sein könnte, sein Nuklearprogramm nicht nur technisch weiterzuentwickeln, sondern erstmals militärisch zu vollenden. Der Grund: Nach dem Angriff bleibt Teheran kaum eine andere Eskalationsoption. Walsh spricht von einem Szenario, in dem ein Atomkrieg im Nahen Osten "in fünf bis zehn Jahren" Realität sein könnte. Die Frage, ob Israel mit konventionellen Mitteln überhaupt in der Lage ist, Orte wie Fordo nachhaltig zu treffen, bleibt dabei offen – ebenso wie die Strategie hinter einem Angriff, der vielleicht mehr provoziert als verhindert.
Beobachten: Blockiert Iran die Straße von Hormuz
Der Krieg zwischen Israel und dem Iran ist auf vielen Ebenen brandgefährlich. Aber wer einen konkreten Punkt sucht, wo er auch für unsere wirtschaftlichen Interessen direkt spürbar wird: die Straße von Hormus.
Wenn Iran – wie mehrfach angedroht – diese Meerenge sperrt, wird es auch wirtschaftlich für uns spürbar. Sie liegt zwischen Iran und Oman bzw. den Emiraten und ist eine der wichtigsten Öl- und Gasrouten der Welt: Rund 20 % des weltweiten Handels mit Brennstoffen läuft hier durch.
Eine Blockade hätte dramatische Folgen: Energiepreise würden explodieren, Lieferketten kollabieren, Inflation würde steigen – weltweit. Und: Die USA würden an dem Punkt sicher eingreifen. Hormus war in den 1980ern schon mal ein Hotspot - die Älteren erinnern sich vielleicht noch.
2025 könnte eine solche Entscheidung seitens des Irans diesen noch lokalen Krieg zu einem globalen Thema machen. Was auch immer passiert: wenn diese Entscheidung in Teheran getroffen wird, dürfte das eine neue Stufe bedeuten.
These: Die USA treten bald in den Krieg gegen den Iran ein
Durch das Verminen der Straße von Hormuz würde der Iran den USA den perfekten Grund für den Kriegseintritt liefern.
Mein Tipp wäre, dass die USA in den nächsten Tagen in den Krieg eintreten. Warum? Weil zwei zentrale nukleare Anlagen im Iran für die israelische Luftwaffe unerreichbar sind.
Die Nuklearanlage Fordo liegt beispielsweise 60m unter Granit in einem Berg. Die einzigen nichtnuklearen Bomben, die auf dieses Level runterkommen, sind die amerikanischen GBU-57 MOPs, die nur US B-2 abwerfen können.
Greifen die USA nicht ein, dürfte Israel das verbunkerte iranische Atomprogramm nicht zerstören können. Und dass die USA dies als Option erwägen, zeigt die massive Verlegung von Kampfjets und Tankern in den Nahen Osten in den letzten zwei Tagen.
Das war meine kurze Sicherheitspolitik-Presseschau für heute. Wer diesen Newsletter weiterempfehlen mag: Sehr gerne.
Слава Україні!,
Hi!
Du schreibst, Israel müsse das jetzt zu Ende bringen. Hier ist die vollständige Übersetzung des englischen Textes ins Deutsche:
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Das setzt zwei Dinge voraus:
1. Dass der Iran eine Atombombe will (dafür gibt es keine Beweise), und
2. dass er sie gegen seine Nachbarn einsetzen würde (auch dafür gibt es keine Beweise – abgesehen von feindseliger Rhetorik gegenüber einem Land, das ihn nun ohne Provokation angreift).
3. Falls das Regime stürzt, gibt es keinerlei Garantie, dass eine westfreundlichere Regierung an die Macht kommt. Tatsächlich hat sich der Iran bislang an alle Regeln gehalten. Eine Hardliner-Fraktion der Islamischen Revolution – wäre sie an der Macht – hätte Israel schon vor Jahren angegriffen. Die derzeitige Führung war zu Verhandlungen bereit und hat sogar das Atomabkommen (JCPOA) unterzeichnet und eingehalten, bis Trump aus dem Abkommen ausstieg.
Was der Iran am meisten will, ist nicht eine Atombombe, sondern die Aufhebung der Sanktionen. Die Anreicherung von Uran in diesem Ausmaß war ein Versuch, die USA zurück an den Verhandlungstisch zu bringen – was auch funktionierte, bis Israel angriff.
Der Iran verfügt bereits seit einiger Zeit über das nötige Material – und hat es vermutlich auch verlagert, wahrscheinlich außerhalb der Reichweite der USA oder Israels. Ein Bombardement birgt daher vor allem das Risiko von nuklearen Lecks und Kontamination an zivilen Nutzungsstandorten.
Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass – sobald die USA sich einmischen – jede US-Militärbasis im Nahen Osten angegriffen wird, ebenso wie US-Verbündete, etwa die Ölanlagen in Saudi-Arabien. Außerdem würde die Straße von Hormus geschlossen. Unter solchen Bedingungen wird ein Ölpreis von bis zu 400 US-Dollar pro Barrel prognostiziert – ein Preis, den sich niemand leisten kann und der alle treffen würde.
Lieben Gruß
Andree